Herz & Schmerz
.. veränderte mich heute und vor allem den heutigen Abend.
Entgegen meiner sonstigen Gewohnheit, "unbekannte Teilnehmer" zu ignorieren, nahm ich diesen Anruf am Stammtisch des Wirten meines Vertrauens, am monatlichen Weiberabend, entgegen. Sehr distanziert meldete ich mich mit meinem Nachnamen, erst Sekunden später überriss ich den Teilnehmer am anderen Ende der Leitung. Überraschung machte sich eindeutig auf meinem Gesicht breit.
Ich ging auf die Straße - nein, du störst nicht! Was sprach ich da??? Die Schauspielerin kam doch erst heute nach 3,5 Wochen New Mexico zurück....! Wir feierten meine, ihre Rückkehr und meinen Geburtstag!
Wie vertraut die Stimme war, so als hätten wir uns gestern das letzte Mal gesehen. Übers Segeln und Alltäglichkeiten gesprochen. Was wir beide grad so treiben bis hin zu Sightseeingverhalten in Städten bzw. in vertrauten Gegenden. Dazwischen ein Hervorkramen von Erinnerungen. Dazwischen intime Stille.
"Wir sehen uns" - "Ich nehm dich beim Wort" - kehliges Lachen von beiden. Zwischen ihm und diesem unsäglichen Vornamen (zu oft stand eine Frau mit diesem Vornamen im Weg) läuft es mehr schlecht als recht. Ein tragischer Umstand, der mich erleichterte und mir weiteres Träumen ermöglichte.
Offensichtlich erhielt er meinen Brief noch nicht... Beruhigend ;-)
Zurück im Lokal erfassten 2 die Situation sofort, eine weitere nach wenigen Augenblicken. Auf der Toilette wußte ich, warum ;-)
Nehalennia - 14. Aug, 23:54
Grenzen stecken Bereiche ab. Bereiche, die einem gehören, die niemanden etwas angehen. Bereiche, die die Intimsphäre umfassen.
Menschen mit Feingefühl versuchen, die Grenzen anderer nach Möglichkeit nicht zu überschreiten.
Meine Grenzen erreicht man/mann sehr schnell. Nach außen hin wirke ich trotz einer spürbaren Distanz verhältnismäßig offen, unkompliziert, menschennahe. Zumeist bin ich das auch. Bei Grenzüberschreitungen weiche ich in der Regel innerlich 3 m zurück. Reicht das nicht, um auf Übergriffe aufmerksam zu machen, ziehe ich eine Mauer in Windeseile auf und ziehe mich zurück. Reicht das immer noch nicht, wird meine messerscharfe Zunge zur Verteidigungswaffe und hier gewinne ich zumeist. Wobei mir immer klarer wird, daß ich mich trotz jahrelanger Übung im Umgang mit dieser Waffe immer selbst auch verletze.
Männer in ihrem gockelhaften Balzverhalten überreissen diese Grenzen so gut wie nie. Ich, immer etwas langsam im Begreifen, bin bei der Realisierung, was hier abgeht, stets völlig perplex und verfalle in kurze Bewegungslosigkeit. Durch dieses schneckenhafte Reagieren sind Grenzen zumeist schon überschritten.
Dieses Mal war alles anders. Eine sehr wachsame Freundin (muss sie auch bei ihrem Beruf) realisierte früher und warnte mich vor. Ich verfiel wieder in Ungläubigkeit und zugleich Bewegungslosigkeit. Kurz danach holte mich die Panik und das Wissen, wieder mindestens 5 m zurückgehen zu müssen, ein. Ich wollte das nicht. Nicht in dieser Zeit, nicht in "meiner" Zeit. Wie komm ich denn dazu, mich mit sowas in "meiner" Zeit auseinandersetzen zu müssen? Wut gesellte sich dazu. Himmel! Testesteron! Brauch ich das jetzt? NEINNN.
Und dann durchbrach er dieses mir bekannte Muster. Keine Grenzen wurden überschritten. Trotz der kurzen Zeit, die uns blieb, nur langsames Vorantasten. Ich war auf der Hut, zumal auch die Rahmenbedingungen alles unsagbar erschwerten. Mir eine Situation, die ich um alles in der Welt verhindern möchte, vor Augen gehalten wurde. Ich hatte keine Chance. Ich kniff schon die Augen zu, um das Fiasko nicht mitansehen zu müssen und? Nichts... Kein Fiasko, zwar eine unmögliche Situation, aber für alle offensichtlich handelbar. Vor allem für mich handelbar. Vorsichtig versuchte ich meine Schultern wieder zu entspannen, die Gesichtsmuskulatur glättete sich wieder. Nichts! Kein Horrorszenario bannte sich an.
Und für mich das Unfassbare: langsam, aber stetig. Stets um unausgesprochene Grenzen bedacht. Keine Grenzüberschreitung, kein... Trotzdem fühlte ich mich nicht wie ein Tschapperl, wie ein rohes hilfloses Ei behandelt. Im Gegenteil! Ich hatte meinen Platz und als ich ihn auch ausfüllte, wurde es von jedermann akzeptiert und respektiert. Es änderte sich nichts an der anderen Situation. Es fühlte sich so richtig an. Endlich akzeptierte auch ich. Einige Tage Hochgefühl, um mich danach (aber wenigstens nicht allein) wie ein geprügelter Hund zu fühlen. Der Preis, den man für so was zahlt, wurde unerbittlich eingefordert.
Ich pflege meine Wunden heute noch...
Nehalennia - 13. Aug, 12:07
Was berührt mich? Körperkontakt ist nicht gleich Körperkontakt. Manchmal berühren miich Blicke mehr als Haut. Manche Worte berühren meine Seele.
Dieses Strahlen - nein, ich war nicht erstaunt. Diese sanfte Verabschieden - nein, ich war nicht erstaunt. Das behutsame Halten meines Kopfes mit beiden Händen - nein, ich war nicht erstaunt.
Der Blick an der Kreuzung, das schelmische Grinsen von Unsicherheit abgelöst. Ein Zögern, ein Schritt zurück, der Blick auf die Seite, um Entschlossenheit zu sammeln.
Ein liebevolles Wegschieben einer Handsträhne, die mir der Sturm ins Gesicht blies - nein, ich war gar nicht erstaunt.
Körperliche Berühungen haben 1000 Facetten. Wie erstaunt war ich über die Aufmerksamkeit der Aussicht, doch noch mehr über das bei der Hand nehmen. Es war ein sorgsames, aufmerksames, sanft führendes Handnehmen. Hand in Hand - die Aussicht bestaunen, skyline - Kenntnisse auffrischen. Schweigen... Wenige Worte, die unter die Haut gingen. Und doch aufgrund des Nichteinschätzen-Könnens meinerseits nicht die Seele berührten.
Die Suche nach Zärtlichkeit und zugleich das Geben dieser. Doch, das erstaunte mich. Das sorgfältige und zugleich zarte Zurückstreichen meiner Haare und Halten zum Zopf. Doch, das erstaunte mich. Die Rücksichtnahme auf meine Blindheit und die damit verbundene Fürsorglichkeit. Doch, das erstaunte mich. Die Selbstverständlichkeit des gemeinsamens Übernachtens - auch das erstaunte mich.
Ich vermutete die Ernsthaftigkeit und doch überraschte mich die Realität.
Am Abend vermutete ich Larifari, viel Lärm um Nichts, leere Worte, viel Blablabla. Es kam eine überraschende Einschätzung über die örtliche Flucht und was von dem Erhofften eintrat, aber vielmehr was nicht eintrat. Mein Vorsatz, es ihm nicht leicht zu machen, gelang mühelos und mehrmals schluckte er. Und doch - er schluckte. Nahm meine schnippische Art sehr fügsam mit viel Bedauern.
Ein Wasserfall schwemmte mir Alltägliches um die Ohren und ich schwieg. Ich schwieg lange und fragte mich warum. Die "Agendathemen" waren noch nicht abgehandelt. Ich ertappte mich bei zuhörenden Schweigen - ohne Kommentare, Lebensweisheiten, Ratschläge oder Zustimmung/Ablehnung. Nicht mal meine Körpersprache versuchte mich zu verraten. Dieses Alltägliche
Der Wasserfall versiegte und der 2. bzw. 3. Agendapunkt wurde abgehandelt. Diese Worte berührten mich. Es war kein Wasserfall mehr, vielmehr ein zaghaftes Ausbreiten von Gedanken, Selbstreflexionen, Gefühlen. Ein Ausbreiten mit Selbstironie ohne Angriff. Zögernd gab er vieles preis ohne Anspruch auf Verständnis geschweige denn Absolution.
Beim 3. Agendapunkt wurde nach Worten gesucht. Ein Bedauern, das nicht beschönigt wurde. Ein Blick, der mir die Tränen aufstiegen ließ. Ein im richtigen Moment Aushalten des Schweigens. Ein ohne Worte gemeinsames Verlassen des Lokals. Dieser Moment berühte mich. Ich spürte meine Wut kleiner werden ohne das sie verschwand geschweige denn ins Gegenteil kippte (Gott sei´s gedankt). Das Nachlassen dieser Wut war sehr erleichternd. Bedauern machte sich bemerkbar. Aber auch das Wissen, nicht zurückzuwollen.
Ein Streichholz und fast brannte es wieder. Zündlern sollte auf die Finger geklopft werden. Ein in die Arme nehmen machte mich erst steif. Die vertraute Berühung, der vertraute Geruch.. ich könnte doch... ein tiefes Einatmen, Bilder stiegen auf. Bilder, die nach vorangegangenen Berührungen eigentümlicherweise, verstärkt wurden. Ein Bild, noch eines. Ein Diashow mit 73 Bildern in 2 Zehntel Sekunden.
Ein Ruck, ein erstaunlich heftiger Ruck nach hinten. Die Aussicht fiel mir ein - wie klein doch alles wirkte. Und wie anders andere Umarmungen wirken können. Nicht durch Wissen meiner Reaktion oder Brauchen geprägt, sondern durch Halten, Bewahren und Schützen. Aufmerksamkeit und Vorsicht.
Das Flämmlein wurde durch den Wind des Rucks gelöscht.
Kollateralschaden könnte mal sarkastisch sagen, Teil eines Prozesses klingt auch nicht besser. Ein Schiefer sitzt - will man ihn entfernen? Entscheiden ist angesagt.
Gilt das auch für mich? Nein, hab ich nicht notwendig. Weder noch noch - wir werden einfach sehen, wie meine Seele in Zukunft durch wen berührt wird. Der eine, der andere oder ganz ein anderer :-)
Nehalennia - 17. Jun, 00:06