mein Element

Physisch steht es außer Frage, dass jeder Mensch Luft zum Atmen braucht. Darüber hinaus gibt es für jeden subjektive Rahmenbedindungen, Umstände ("Luft"), die einem im wahrsten Sinne des Wortes "atmen" erlauben oder erschweren.

Meine "Luft" ist der freie Himmel und das Erleben der Elemente: Wasser, Feuer, Luft, Erde.

Strassenschluchten in einer Großstadt wie Wien gewähren mir nur einen winzigen Blick auf den HImmel, meine Aussicht meiner Dachbodenwohnung etwas mehr. Doch meinen Rundumblick - die berühmten 360 Grad Perspektive erhasche ich nur an wenigen Orten. Auf der Nordbrücke, am Himmel (nomen est omen), auf der Südautobahn. Es gibt tatsächlich Tage, an denen ich absichtlich einen Umweg fahre, um die Nordbrücke zu überqueren.

Die Naturelemente waren gestern spürbar, kaum jemand konnte sich dem entziehen. Die anhaltende Hitze, die zunehmende Schwüle wurde kurzfristig durch ein schweres Gewitter abgelöst.

Es wurde minütlich dunkler, die ersten Fenster zeugten vom künstlichen Licht um 16.00 Uhr. Das Termometer fiel binnen 20 Minuten um 10 Grad. Der Regen prasselte auf das Autodach, sodaß ich den Radiosender nicht mehr hörte.

Unsere Zivilisation ist auf solche Naturereignisse nicht ausgerichtet: der Verkehr stand still, Ampelanlagen fielen aus, Unterführungen wurden geflutet, Acquaplaning am Franz-Josefs-Kai bei 40 km/h. Ein Blitzschlag legte einen Radiosender lahm. Menschen liefen hektisch, manche akzeptierten das Unvermeidliche und gingen in normaler Geschwindigkeit mit völlig durchnässter Kleidung ihrer Wege.

Ich erlebte diese Stunde staunend, mit offenen Mund, wie ein kleines Kind. Um mich herum schien die Welt anders als sonst zu laufen. Ich fühlte mich lebendig, lachend.

Auch der überraschende, dichte Nebel heute morgen auf der B10 weckte mich aus meinem morgendlichen Dämmerzustand. Er löste nicht nur eine erforderliche Konzentration, sondern Erleben pur aus. Das Wetter ist eines der wenigen Dinge, die wir nicht planen, steuern, beeinflussen können. Vielleicht fühl ich mich gerade deshalb in Gegenwart von Naturgewalten so menschlich, so klein und demütig und zugleich so lebendig.

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